Bettflasche: Sie spendet Wärme und spart Energie

2023-03-16 17:28:13 By : Ms. Coco Li

Dieser Winter wird richtig ungemütlich. Energiesparen ist angesagt. Das heisst Stosslüften statt Dauerkippen, zugige Fenster und Türen abdichten, im Schlafzimmer sollen siebzehn Grad genügen. Glücklich, wer einen Partner oder eine Partnerin zum Kuscheln hat. Die vielbelächelte Löffelchenstellung empfiehlt sich als Idealpositionierung. Allerdings setzt so viel Intimität eine intakte Beziehung voraus. Wer sich vorm Fernseher eben noch angegiftet hat, wird kaum Lust verspüren auf traute Zweisamkeit ausgerechnet mit der oder dem. Da hilft in gewissenlosem Eigennutz nur eine zuverlässig, die Bettflasche.

Die Bettflasche ist, zusammen mit den Kerzen, die Urgemütliche unter all den sterilen Akkus, Taschenlampen, Batterien und Ersatzlampen, die uns im Fall eines Blackouts aus der Patsche helfen sollen durch den Gang zur fensterlosen Toilette, wo Dutzende gehorteter Toilettenrollen warten. Nach dem verrichteten Geschäft in dunkler Kälte wollen wir schnellstmöglich zurück ins warme Bett.

Aber heisst sie nun korrekt Bettflasche, oder heisst sie Wärmflasche? Anno 1753 hat die Wärmflasche als «Bettflasche» im deutschen Konversationslexikon Eingang gefunden. In Regionen, die fürs Behagliche und Behäbige bekannt sind – im Badischen, im Elsass, in der Pfalz und nicht zuletzt in der Schweiz – wird kochend heisses Wasser seit je in Bettflaschen abgefüllt. Dass diese wärmen, liegt auf der Hand beziehungsweise kommt an die nackten Füsse oder an solche in Bettsocken zu liegen. Ein praktischer Tipp: Beim Einfüllen von Heisswasser hilft ein Trichter zu kanalisieren.

Ältere Semester (damit sind explizit nicht die User und Userinnen gemeint!) bestehen oft aus Metall und erinnern entfernt an ein Sportgerät, nämlich den Curlingstein. Wer früh zu Bett ging, also zeitnah mit der noch zu heissen Flasche, schützte die empfindlichen Zehen und Fusssohlen, indem das metallene Oval in einen von der Grossmutter gehäkelten Überzug gesteckt wurde. War keine strickende Oma vorhanden, behalf man sich damit, die Bettflasche mit einem Flanelltuch oder einem breiten alten Schal zu umwickeln. Wenn die Höchsttemperaturen allmählich in den Lauwarmbereich sanken, wurde die Schutzhülle entfernt. Sofern man noch Schäfchen zählend wach lag.

Mit den im 16. Jahrhundert aufkommenden Alkoven (Bettnischen) und den geschnitzten Prachtbetten der Renaissance wuchs das Bedürfnis nach Wärme in kalten Herbsttagen und grimmigen Wintern. Fürs gemeine Volk taten es Steingutflaschen, während die Bessergestellten sich an Bettflaschen aus Metall hielten. Im 18. Jahrhundert setzte sich Kupfer als hervorragender Wärmeleiter gegen die Konkurrenz aus anderen Metallen durch. In Gebrauch kamen im Laufe der Jahre auch Bettflaschen aus Zink, Messing und Aluminium.

In der Eisenbahn-Pionierzeit war es winters die Aufgabe sogenannter Wärmeflaschentauscher, an den Bahnhöfen die ausgekühlten Bettflaschen durch heisse in den Abteilen zu ersetzen. Eine Prä-App-Service-Leistung, die im Zuge der Zeit längst eingestellt worden ist.

Das Herz und die Füsse oder auch den Bauch wird allerdings keine Bettflasche jemals so liebevoll und behutsam wärmen wie ein «Chriesisteisäckli», auf deutsch ein Kirschkernkissen. Dieses wurde vor Generationen im Kachelofen auf Betriebstemperatur gebracht, heute übernimmt diese Aufgabe, weniger pittoresk, der Elektro-Backofen. Und weil dieser ja im Ruf des Energiefressers steht, empfiehlt es sich, das Kissen als Begleiterin etwa einer ofenfrischen Kirschwähe oder eines Apfelstrudels «in the making» mit in den Ofen zu geben.

Schliesslich schmecken Wähen warm oder kalt. Dass man sich an einem Kissen verbrennt, ist ausgeschlossen. Dafür ist in Kauf zu nehmen, dass es schneller erkaltet. Die Bettflaschen aus Metall, sie werden immer weniger, die Modelle im Supermarkt sind meistens aus Naturkautschuk, sprich Gummi. Doch aufgepasst, bei der genügsamen Energiesparerin droht akute Ausverkaufsgefahr.

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